Körper, Seele und die Schulmedizin
Körper, Seele und die Schulmedizin
Ich glaube an die Verbindung von Körper und Seele. So wie daran, dass die Balance dieser beiden Pole entscheidend für unser Wohlbefinden ist. Gerade bei der Therapie von Krankheiten ist es wichtig, dieses Prinzip im Blick zu behalten.
Wichtig sind neben schulmedizinischen ausgereiften Therapiekonzepten auch Betrachtungen des Zusammenspiels komplexer Aspekte im Menschen und nicht nur die Konzentration auf eine Erkrankung oder ein Symptom.
Eines der häufigsten Symptome, mit dem ein Gynäkologe in seiner Praxis immer wieder konfrontiert ist, sind Scheideninfektionen (meist Scheidenpilz). Kommt diese Erkrankung während eines Jahres immer wieder vor, so entsteht dadurch meist ein massiver psychischer Druck. Damit ist vorwiegend der Leidensdruck gemeint, den die Patientin selbst durchlebt. Gleichzeitig entsteht dadurch auch ein indirekter Druck auf den Arzt, der dann immer häufiger und kritikloser „handelsübliche Zäpfchen“ und Therapien verabreicht. Diese können aber zur Zerstörung der Vaginalflora führen, welche dann viel länger zur Regeneration braucht. Auf diese Weise können gut gemeinte Therapieversuche zu negativem Einfluss auf die in jedem Menschen angelegten Selbstheilungskräfte führen. Besser ist es, gerade in diesen chronischen Fällen, eine gesamthafte Analyse der Situation der Patientin vorzunehmen und die tatsächlichen Ursachen für oberflächliche Symptome zu finden.
CPP STEHT FÜR CHRONIC PELVIC PAIN
Es gibt wohl nichts Schlimmeres, als den chronischen Schmerz gegen den nicht wirklich etwas hilft. Im Becken der Frau kann es sehr verschiedene Ursachen für diese Schmerzen geben. Manchmal sind es „nur“ Regelbeschwerden, manchmal Schmerzen durch Vernarbungen nach Operationen, schmerzhafte Blutungen bei Gebärmuttermyomen, Schmerzen beim Verkehr, beim Stuhlgang, beim Urinieren oder auch ohne erkennbaren Grund, verursacht durch Endometriose.
So vielfältig diese Ursachen in einer rein mechanistischen Denkweise auch sind, oft liegt man alleine dadurch falsch, weil es nicht die eine Ursache allein ist, die zum Schmerz führt. Im sogenannten kleinen Becken befindet sich ein ganz dichtes kompliziertes Netzwerk von zahlreichen vegetativen und sensiblen Nerven.
Das Gemeine ist gerade die Tatsache, dass dieser Beckenschmerz ganz unabhängig was nun die primäre Ursache war, vom menschlichen Gehirn immer ähnlich registriert wird. Da es auch so etwas wie ein „Schmerzgedächtnis“ gerade in diesem Bereich gibt, kann es durchaus sein, dass der ursprüngliche Auslöser der Symptome schon lange nicht mehr aktiv ist, der Leidensdruck bei der Patientin aber durch die Chronizität dieses Schmerzes noch größer ist als zuvor.
Auch hier hilft es, die Patientin in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Ziel ist es, dieses negative „Gefühl“ und diese Haltung zu durchbrechen, mit der der chronische Schmerz geradezu erwartet wird. So lächerlich das auch klingen mag: dies gelingt durch Sport und körperliche Aktivität. Dadurch werden Endorphine ausgeschüttet, ein neues gänzlich anderes Körpergefühl entsteht und diese Negativspirale kann durchbrochen werden. In meiner langjährigen Praxis konnte ich das sowohl bei Endometriose-patientinnen, bei Frauen mit alleiniger Menstruationssymptomatik als auch bei Frauen mit Wechselbeschwerden immer wieder beobachten.
SENKUNG, BECKENBODEN & PILATES
Immer wieder suchen Patientinnen meine Ordination auf, die an einer Beckenbodenschwäche und Senkung leiden. Typischerweise haben diese Patientinnen mehrfach vaginal geboren oder eine angeborene Neigung und „Gewebsschwäche“. Neben einer Operation als „Ultima Ratio“ sieht die Schulmedizin Beckenbodengymnastik als Therapie vor. Meist absolvieren diese Patientinnen einmalige Kurse, in denen entsprechende Übungen gezeigt werden. Allerdings sinkt die Übungshäufigkeit nach Kursende wieder rasch ab. Diese Tatsache habe ich immer wieder als etwas enttäuschend empfunden, da durch konsequentes Üben oft eine Operation verhindert hätte werden können.
In den letzten Jahren habe ich selbst mit dem Pilates Training begonnen. Sofort fiel mir die starke Wärmeentwicklung und Durchblutung im Beckenboden bei korrekter Ausführung der Übungen auf. Diese Erfahrung habe ich zum Anlass genommen, um Patientinnen mit Senkung und Beckenbodenschwäche zum Pilates Training zu motivieren. Das Feedback ist überragend. Eine Patientin mit wirklich ausgeprägter Senkung hatte solch eine Freude an diesem Training, dass sie selbst die Ausbildung zur Pilates Trainerin absolvierte. Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigte sich Erstaunliches… als ob diese Frau noch nie geboren hätte!